Was braucht es für ein gesundes Ökosystem?
Am Sa., 18.01.2025 fand im Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten von 9.00 bis 17.00 Uhr die Erde & Saat Wintertagung 2025 statt. Unter dem Veranstaltungsmotto: „Vom kleinsten Baustein, dem Mikrobiom, bis hin zum großen Ganzen“ hörten rund 70 TeilnehmerInnen in 7 Vorträgen führender ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis, welche Faktoren für ein ausgewogenes und nachhaltiges Ökosystem erforderlich sind und welche Bedeutung das Mikrobiom für Boden- und Pflanzengesundheit und in weiterer Folge für die Tier- und Menschengesundheit hat. Zudem hörten wir Praxisberichte aus dem biologischen Landbau und der regenerativen Landwirtschaft. Zu Beginn des Tages gab es aber auch Infos und Einblicke zum Renaturierungsgesetz und welche Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Landwirtschaft möglich sind. Die Veranstaltung war für uns ein sehr erfolgreicher Tag und wir bedanken uns bei allen TeilnehmerInnen und Vortragenden.

Hier findet ihr eine Zusammenfassung der Referenten und Vorträge sowie Auszüge aus den Präsentationen und weitere Infos des Tages.
Wolfgang Suske arbeitet seit über 35 Jahren intensiv in der Materie der Europäischen Naturschutzrichtlinien sowie in Bereichen der Ländlichen Entwicklung. Er war 15 Jahre als Beamter im Amt der NÖ Landesregierung tätig und leitet seit 2004 ein eigenes Büro zu diesen Themen und damit zusammenhängende Kommunikationsarbeit. Suske ist als Sachverständiger für Projetwerber, Ministerien und Behörden sowie für den Bundesverwaltungsgericht tätig. Er ist zudem seit über 15 Jahren Lehrbeauftragter an der Universität für Bodenkultur.
Im ersten Vortrag des Tages hat uns Wolfgang Suske das Renaturierungsgesetz vorgestellt, welches vorsieht, dass alle EU-Mitgliedsländer in einem konkret festgelegten Zeitplan dafür sorgen, dass zerstörte oder beschädigte Teile der Natur wiederhergestellt werden. Das betrifft beispielsweise Moore, Feuchtgebiete, Flusssysteme, Wiesen und Wälder. In den „nationalen Wiederherstellungsplänen“, wird dann konkretisiert, wie die Ziele erreicht werden sollen. Kurz zusammengefasst muss das gesamte Ökosystem verbessert werden. In der Landwirtschaft betrifft uns dies z.B. bei der Verbesserung der Population der Feldvögel (z.b beim Kiebitz, Braunkelchen, Rebhuhn), Bestäuber und Tagfalter, Anlage von Landschaftselementen und Wiedervernässung von Mooren. Jeder kann sich dabei die Frage stellen, was leisten wir jetzt schon und was könnte man noch machen? Gerne sind wir alle zu einem Umsetzungsdialog eingeladen. Weitere Infos dazu auch unter https://www.renaturierungsgesetz.at/
Weitere Infos: Übersicht Futterpflanzen Schmitterlingsraupen
Katharina Keiblinger ist Bodenmikrobiologin und Forscherin an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. Mit einem Schwerpunkt auf Bodenmikrobiologie untersucht sie die vielfältigen Mikroorganismen im Boden und deren zentrale Rolle für Bodenfruchtbarkeit und ökologische Nachhaltigkeit. Ihre Forschung beleuchtet, wie mikrobielle Gemeinschaften im Boden das Wachstum und die Gesundheit von Pflanzen fördern und damit entscheidend zur Stabilität des gesamten Ökosystems beitragen. Katharina Keiblinger engagiert sich dafür, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen und das Bewusstsein für die Bedeutung der Bodenbiologie zu stärken.
In Ihrem Vortrag Das Bodenmikrobiom – Unsichtbare Architekten eines gesunden Ökosystems wurde das Bodenmikrobiom genauer unter die Lupe genommen. Es ist essenziell für die Gesundheit und Funktionalität von Böden und damit für das gesamte Ökosystem. Das Bodenmikrobiom ist die Gemeinschaft aller Mikroorganismen im Boden, einschließlich Bakterien, Pilze, Algen und Einzeller und diese hohe Diversität an Mikroorganismen macht den Boden zum artenreichsten Lebensraum. Millionen von Mikroorganismen interagieren eng mit Pflanzen, insbesondere in den Wurzelbereichen wie der Rhizosphäre und der Endosphäre sprich innerhalb der Wurzeln, wo sie das Pflanzenwachstum fördern und die Widerstandsfähigkeit erhöhen. Zudem haben bestimmte Pilze, wie Mykorrhizapilze, das Potenzial, die Nährstoffaufnahme effizienter zu gestalten. Mikroorganismen unterstützen die Nährstoffverfügbarkeit, die Kohlenstoffbindung, die Filterung von Nährstoffen, um Wasserqualität und Umwelt zu schützen. Die Wirkung dieser kleinsten und scheinbar unsichtbaren Architekten des Bodens ist unermesslich. Doch das Bodenmikrobiom ist stark gefährdet: Humusverlust, Bodenversauerung, Bodenerosion, Verdichtung, Versiegelung, Verschmutzung führen zu deutlichem Bodenbiodiversitätsverlusten. Der Schutz des Bodenmikrobioms ist daher entscheidend für eine nachhaltige Landwirtschaft, für Ernährungssicherheit und Klimaschutz.
Alois Wilfling leitet OIKOS – Institut für angewandte Ökologie & Grundlagenforschung in Gleisdorf. Hier arbeitet er als Biologe und Ökologe in der Forschung, v. a. in den Bereichen Botanik, Mykologie & Lichenologie. Als Sachverständiger widmet er sich zahlreichen nationalen und internationalen Gutachten und Studien. Die Pomologie und seine Tätigkeit als international zertifizierter Baumwart sind zentraler Teil seiner Arbeit als Geschäftsführer von eva & adam (www.evaundadam.at). Diese verbindet er mit seiner privaten Leidenschaft als Landwirt auf seinem BIO-Bauernhof mit Tierhaltung, wo u. a. 270 Wildpflanzen und 170 alte Obstsorten einzeln BIO-zertifiziert sind. Ausgestattet mit einem Kew Certificate in Botanical Illustration bietet er regelmäßig Kurse zur Wissenschaftlichen Illustration an.
Im Vortrag Das Zukunftsmodell SUPERHOCHSTÄMME – Gesunde, alte Obstsorten & moderne Hochstamm-Produktionssysteme hat uns Alois Wilfling das laufende EIP-AGRI Projekt vorgestellt. Im Projekt wird ein neues und modernes Mehrnutzen-Hochstamm-Produktionssystem (M-HPS) entwickelt, getestet und etabliert, wobei die Ergebnisse dann in Form von 7 Praxis-Factsheets zur Verfügung stehen werden.
Barbara Metzler-Zebeli ist seit Oktober 2024 Assistenz-Professorin im Bereich der „Nachhaltigen Pflanzenmetaboliten-Tier-Interaktionen“; vorher war Sie Professorin für Ernährungsphysiologie an der Vetmeduni. Die derzeitigen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Darmentwicklung beim Ferkel, alternative Futtermittel (überproduzierte Lebensmittel, alternative Proteinquellen), antinutritive Nährstoffe sowie Phytobiotika.
Der Vortrag Schweinefütterung: Einfluss auf die Entwicklung der Darmmikrobiom-Wirtstier-Interaktionen beim Ferkel und alternative Futtermittel verdeutlichte, wie sich das Darmmikrobiom von Ferkeln während des Übergangs von der Säuge- zur Absetzphase entwickelt und welche Veränderungen dabei im Darm und in der mikrobiellen Zusammensetzung auftreten. Bereits die Ernährung der trächtigen und laktierenden Sau spielt eine entscheidende Rolle und beeinflusst die spätere Darmgesundheit der Ferkel maßgeblich. Zudem wurden verschiedene Ansätze zur Förderung von Tierwohl und Tiergesundheit vorgestellt, darunter der Einsatz fermentierter Kräuter und alternativer Proteinquellen. Abschließend wurde das Projekt „Grünes Protein für Schweine“ präsentiert, das das Fütterungskonzepte mit heimischen Proteinquellen wie Luzerne und Weißklee erforscht.
Hubert Stark ist Bioladwirt im nördlichen Waldviertel. Er bewirtschaftet einen Mutterkuhbetrieb und Mastschweine. Zudem ist er Obmann der Bioschwein Austria Erzeugergemeinschaft und Mitbegründer der Humus Bewegung. Sein Ziel ist es, Wissen über die Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft zu vermitteln und Menschen bei ihrem Bestreben zu belebten Böden zu begleiten.
In seinem Vortrag Sind wir mit unserer Nutztierhaltung noch auf dem richtigen Weg? führte er uns in eine spannende Diskussion über Werte und Zukunftsvisionen der Tierhaltung. Er stellte die zentrale Frage, wie wir uns die Nutztierhaltung der Zukunft vorstellen und welche Wege sowohl zu mehr Abhängigkeit als auch zu größerer Unabhängigkeit führen könnten. Letztlich könnte ein vielfältiger Hoforganismus – mit Wiederkäuern auf Weiden, Schweinen als Verwertern, Hühnern und weiteren Nutztieren – den Weg zu einer gesunden, regenerativen Landwirtschaft ebnen.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Dr. Martin Grassberger ist Arzt und Biologe mit Diplomen in Umweltmedizin und Ernährungsmedizin sowie u.a. Ausbildung zum Facharzt für Gerichtsmedizin und Facharbeiter Landwirtschaft. Universitäre Lehre u.a. an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien sowie an der medizinischen Fakultät der Sigmund Freud Universität Wien. Er ist zudem mehrfacher Buchautor. 2024 bei Residenz erschienen: Regenerativ – Aufbruch in ein neues ökologisches Zeitalter.
Sein Vortrag mit dem Titel Gesunder Boden, gesunder Mensch? hat uns eindrücklich vor Augen geführt, wie essenziell der Boden für unser Leben, unsere Ernährung und unsere Gesundheit ist. Obwohl wir im Überfluss leben, bleibt ein versteckter Hunger – nicht nach Kalorien, sondern nach lebenswichtigen Mikronährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Ertrag allein genügt nicht mehr; es geht längst nicht nur um die Menge, die uns sättigt, sondern vor allem um die Qualität dessen, was wir zu uns nehmen. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie nahrhaft ist unser Essen wirklich? Denn nur durch gesunde Böden können wir gesunde Lebensmittel erzeugen – und letztlich selbst gesund bleiben.
Wir leben in einer Welt der Holobionten – ein Begriff, der beschreibt, dass kein Lebewesen für sich allein existiert, sondern stets in Gemeinschaft mit einer Vielzahl von Mikroorganismen lebt. Pflanzen, Tiere und Menschen sind eng mit ihrem mikrobiellen Umfeld verwoben, und unsere Gesundheit hängt unmittelbar von diesen unsichtbaren Umfeld ab. Umso wichtiger ist es, für uns und unsere Kinder die Verbindung zur Erde nicht zu verlieren.
Alfred Grand ist ein Biobauer (GRAND FARM für Forschung und Demonstration) und Unternehmer (VERMIGRAND Regenwurmfarm). Er ist in verschiedene nationale und internationale bodenrelevante Forschungsprojekte involviert und war als Mitglied des Mission Board an der Entwicklung der EU-Mission Soil beteiligt. 2023 wurde Alfred Grand zum Botschafter der Mission Soil ernannt und mit dem Erdreichpreis des Klimaministeriums ausgezeichnet.
Den Abschluss des Tages bildete der Vortrag von Alfred Grand mit dem Titel ... und was wir sonst noch über Regenwürmer wissen sollten! Zum Beispiel, das es in Österreich ca. 65 Arten gibt, welche in 3 Gruppen eingeteilt werden. Alfred Grand verdeutlichte aber auch eindrucksvoll, dass Regenwürmer und Pflanzenwurzeln effizienter, kostengünstiger und tiefgreifender arbeiten als jede mechanische Bodenbearbeitung. Praxisnahe Erkenntnisse liefern die vielen Projekte auf seinem Betrieb wie z.B. die Saatgutbeimpfung mit dem Mikrobiom des Regenwurms. Zusammengefasst sorgt der Regenwurmeffekt für einen fruchtbaren, lebendigen Boden, der Pflanzen optimal mit Wasser und Nährstoffen versorgt – ganz ohne Chemie oder schwere Maschinen. Wie du den Regenwurm fördern kannst? z.B. durch Mulch, vielfältige Fruchtfolge, Pflanzenreste, Winterbegrünung, Kompost- und Mistdüngung, Untersaaten, Mischkulturen – einfach durch Natur!
Wir danken für den guten Austausch und die Diskussion und freuen uns bereits auf ein Wiedersehen mit euch im nächsten Jahr!










Danke an das Land NÖ für die Förderung der Veranstaltung.

